Freitag, 8. Juli 2011

Die vereinigten Knöllchen von Europa


Im Ausland wird der Autofahrer gern zum Verkehrsrowdy: Er vertraut darauf, dass ihn die Knöllchen daheim nicht erreichen. Damit ist Schluss: In Zukunft werden Strafzettel europaweit zugestellt.

Bislang war alles ganz einfach: Wer als Autofahrer im Ausland mal zu schnell fuhr oder eine rote Ampel ignorierte, blieb mit etwas Glück unbehellig, weil der Strafzettel im Bürokratiedschungel stecken blieb. In aller Seelenruhe Verkehrsregeln übertreten, konnte man allerdings auch nicht. Viele Länder bevorzugen bei Kontrollen "Barzahler" – die Fahrer werden nach der Kontrolle gestellt, wer sofort bezahlt, wird mit einem stattlichen Rabatt belohnt. Falschparker lässt man mancherorts keine Wahl: Wagen mit ausländischen Kennzeichen werden abgeschleppt oder per Kralle stillgelegt.

Herbst Geldbußen aus dem EU-Ausland auch in Deutschland vollstreckt werden - zumindest wenn sie sich auf mehr als 70 Euro belaufen. Problem ist nur: An wen soll die polnische Polizei den Strafzettel schicken, wenn ihr nur das Nummernschild bekannt ist? Daher soll nun auch die Suche nach dem Verkehrssünder in der EU geregelt werden. Eine europaweite Datenbank macht es der Polizei künftig leichter, Namen und Adresse des Fahrzeughalters herauszufinden und ihm den Bußgeldbescheid per Post zuzuschicken. Das hat das Europaparlament in Straßburg beschlossen. Genutzt wird die Datenbank Eucaris, in der Fahrzeug- und Führerscheinregister gespeichert sind.

Das Anziehen der Daumenschrauben ist nach Ansicht der EU-Kommission dringend notwendig, weil der Autofahrer im Ausland zum Verkehrsrowdy werde. "Ein ausländischer Fahrer verstößt dreimal häufiger gegen die Regeln als ein heimischer Fahrer", sagt EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. "Viele Leute scheinen zu glauben, dass im Ausland für sie keine Regeln mehr gelten."

Acht Delikte sollen geahndet werden, darunter zu schnelles Fahren, Alkohol oder Handy am Steuer, das Überfahren einer roten Ampel, fehlender Sicherheitsgurt oder Helm - nicht aber Falschparken. Die Richtlinie soll spätestens 2013 in Kraft treten. Allerdings kann sich der Autofahrer über Lücken freuen: Drei Staaten - Irland, Großbritannien und Dänemark - wollen die Richtlinie nicht umsetzen. "Auch bei dem Delikt Trunkenheit am Steuer läuft die Regelung vollkommen ins Leere", kritisiert Michael Nissen vom ADAC, nach einem Alkoholtest sind die Personalien meist bekannt. Wer einfach behauptet, nicht am Steuer gesessen zu haben, könnte weiterhin davonkommen - nach deutschem Recht kann nur der Fahrer, nicht aber der Halter des Wagens belangt werden.

In der Praxis sind derartige Tricksereien nicht zu empfehlen. Durch die Datenbank Euracris kennt die Polizei im Ausland nicht nur Fahrzeug und Kennzeichen, sondern auch den Halter. Im Computerzeitalter geht keine Information mehr verloren, bei einer erneuten Einreise kann der Fahrer mit seinen alten Sünden konfrontiert werden.

Quelle: stern.de 06.07.2011

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen